Gewährleistung & Garantie - Aus der Sicht eines Jurastudenten

Gewährleistung & Garantie - Aus der Sicht eines Jurastudenten

  • Autor Autor Byebye 45101
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Zu mir: Ich bin Jurastudent in der Examensphase. Die nachfolgende Abhandlung ist gewiss nicht vollständig. Sie behandelt insbesondere die Themen, die von juristischen Laien regelmäßig falsch verstanden werden.

Gewährleistung = Gesetzliche Verpflichtung des Verkäufers im Falle einer Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit (sog. Sachmangel, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB) des Fahrzeugs zu leisten. Sie kann nicht ausgeschlossen werden.

--> Der Verkäufer ist gesetzlich gebunden.

Garantie = Freiwillige Verpflichtung des Garantiegebers (Hersteller, Verkäufer oder sonstiger Dritter) im Garantiefall bei Erfüllen der Garantiebedingungen zu leisten. D. h. eine Garantie muss nicht angeboten werden ("freiwillige Verpflichtung"). Wenn die Garantie allerdings angeboten wird, hat der Garantienehmer (Käufer) gegen den Garantiegeber im Garantiefall bei Erfüllen der Garantiebedingungen einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Leistung.

--> Der Garantiegeber ist vertraglich gebunden.

Gewährleistung

(Verkäufer ist Unternehmer, § 14 Abs. 1 BGB - Käufer ist Verbraucher, § 13 BGB --> B2C)

Wann beginnt die Gewährleistung?

Anknüpfungspunkt für den Beginn der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ist allein der Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs - sog. "Gefahrübergang" i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Wann der Kaufvertrag geschlossen worden ist, ist unerheblich.

Wann endet die Gewährleistung?

Die Rechte des Käufers bei Mängeln verjähren beim Fahrzeug nach zwei Jahren, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

Wie verhalte ich mich bei einem Sachmangel?

Ich würde dem Verkäufer einen Brief schreiben (per Einschreiben mit Rückschein oder persönlicher Einwurf in den Briefkasten mit einem Zeugen, der den Inhalt zuvor gelesen hat --> Nachweis über den Zugang des Schreibens). In diesem Brief wird der Verkäufer aufgefordert, im Rahmen der Nacherfüllung den aufgelisteten Sachmangel innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu beheben.

Wer trägt die Kosten der Nacherfüllung?

Im Rahmen der Nacherfüllung sind sämtliche Kosten vom Verkäufer zu tragen, § 439 Abs. 2 BGB. Der Erfüllungsort für die Nacherfüllung liegt regelmäßig beim Verkäufer, § 269 Abs. 1 BGB. Das Fahrzeug muss dann also zwecks Beseitigung des Mangels zum Verkäufer gebracht werden. Zu beachten ist jedoch, dass z. B. die entstehenden Fahrtkosten vom Verkäufer zu tragen sind, § 475 Abs. 6 BGB. Demnach kann der Käufer sogar einen Vorschuss verlangen.

Zum fruchtlosen Ablauf der Frist

Ist eine angemessene Frist gesetzt und der Sachmangel nicht innerhalb dieser Frist beseitigt worden, so kann der Käufer unmittelbar vom Kaufvertrag zurücktreten *§§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB*, den Kaufpreis mindern *§§ 437 Nr. 2, 441 BGB* oder Schadensersatz statt der Leistung *437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, 3 i. V. m. 281/283 bzw. 311a Abs. 2 BGB* verlangen (sog. sekundäre Rechtsbehelfe). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist befindet sich der Verkäufer in Verzug, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Insofern ist es empfehlenswert, für die Geltendmachung der sekundären Rechtsbehelfe einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Diese Kosten (sowie die gerichtlichen Auslagen im Falle einer möglichen Klageerhebung) sind zunächst vom Käufer im Voraus zu zahlen. Obsiegt der Käufer, muss der Verkäufer die Kosten des Rechtsverfahrens tragen.

Was passiert, wenn die Fristsetzung nicht angemessen war?

Ist dem Verkäufer keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden (z. B. lediglich 3 Tage), so ist die Setzung der zu kurzen Frist nicht unwirksam. Vielmehr bewirkt sie den Lauf einer angemessenen Frist - siehe Urteil BGH vom 12. August 2009 - VIII ZR 254/08.

Zur Beweislastumkehr

In den ersten 6 Monaten gilt die Beweislastumkehr, § 477 BGB. D. h. der Verkäufer muss beweisen, dass der Sachmangel nicht bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer vorhanden war. Dieser Nachweis wird ihm in 99,9 % der Fälle nicht gelingen.

Hat der Verkäufer zwei Versuche zur Nacherfüllung?

Entscheidend ist, ob man dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Ist eine angemessene Frist (gesetzlich nicht geregelt, in den meisten Fällen wohl 14 Tage) gesetzt und der Sachmangel nicht innerhalb dieser Frist beseitigt worden, so kann der Käufer unmittelbar vom Kaufvertrag zurücktreten *§§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB*, den Kaufpreis mindern *§§ 437 Nr. 2, 441 BGB* oder Schadensersatz statt der Leistung *437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, 3 i. V. m. 281/283 bzw. 311a Abs. 2 BGB* verlangen.

Der § 440 S. 2 BGB wird in diesem Zusammenhang regelmäßig falsch verstanden. Daraus ergibt sich nicht, dass der Verkäufer zwei Versuche zur Nacherfüllung hat. Denn § 440 BGB enthält lediglich Tatbestände im Hinblick auf die Entbehrlichkeit der Fristsetzung. Diese Regelung ist also nur relevant, wenn noch keine Frist gesetzt wurde. Hat man dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, ist § 440 S. 2 BGB nicht anwendbar.

Hat man dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt und er hat innerhalb der Frist zwei Mal erfolglos versucht den Mangel zu beseitigen, dann muss der Käufer nicht mehr das Ende der Frist abwarten, um z. B. vom Kaufvertrag zurückzutreten.

Zur näheren Verdeutlichung zwei Urteile des BGH:

1. BGH Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 166/06.
2. BGH Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 274/07.

Beides Urteile zum § 440 S. 2 BGB. Mithin zwei Fälle, in denen die Nacherfüllung verlangt, allerdings keine Frist gesetzt worden ist. Keine Frist gesetzt --> § 440 S. 2 BGB ist anwendbar --> Nachbesserung gilt grundsätzlich nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen --> Rechtsprechung des BGH zu den Ausnahmen dieses Grundsatzes (= obige Urteile).

Jetzt gibt es aber auch noch den Regelfall: Der Käufer verlangt vom Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung die Beseitigung des Sachmangels und setzt ihm hierfür eine Frist. Fristsetzung --> § 440 S. 2 BGB nicht anwendbar --> keine zwei Versuche --> keine obigen Urteile. Sondern: Das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB ist bereits dann entstanden, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung nicht innerhalb der Frist erfolgreich durchgeführt hat.

Garantie

Wer ist Garantiegeber?

In § 443 Abs. 1 BGB ist die Garantie vom Gesetzgeber definiert. Danach können der Verkäufer, der Hersteller oder ein sonstiger Dritter Garantiegeber sein. Garantiegeber ist derjenige, der die Verpflichtung eingeht im Garantiefall zu leisten. Bei der Dacia Neuwagengarantie, Lackgarantie und Garantie gegen Korrosion ist der Garantiegeber nicht der Hersteller, sondern der Vertragshändler --> sog. Händlergarantie. Der Garantievertrag besteht also zwischen dem Autokäufer und dem Verkäufer.

Seite 1 der Allgemeinen Garantiebedingungen (als Bestandteil des Garantievertrages):

Allgemeine Garantiebedingungen.jpg

Schematische Darstellung der Hersteller- und Händlergarantie:

Hersteller- und Händlergarantie.jpeg

Wie die Garantieleistungen im Einzelfall ausgestaltet sind, unterliegt dem (nahezu) freien Willen des Garantiegebers. Rechtlich betrachtet besteht der Garantievertrag lediglich zwischen Verkäufer (bzw. ein anderer Vertragshändler) und Käufer. Denn nur der Vertragshändler geht die vertragliche Verpflichtung ein, im Garantiefall zu leisten. Der Hersteller sitzt im Hinblick auf die Garantie mit "im Boot des Vertragshändlers". Er trägt letztendlich auch die Kosten. Diese rechtliche Beziehung ist allerdings durch einen anderen Vertrag geregelt. Daher auch die Bezeichnung des Vertragshändlers.

Schematische Darstellung der europaweiten Dacia-Händlergarantie:

Europaweite Händlergrantie, 1 von 3.jpeg
Europaweite Händlergarantie, 2 von 3.jpg
Europaweite Händlergarantie, 3 von 3.jpg

Der Vertragshändler gewährt also die Herstellergarantie?

Genau. Ich könnte Dir auch die Herstellergarantie von Dacia gewähren. Der Begriff der Herstellergarantie ist ja nur ein Platzhalter für "es wird eine Eigenschaft unter diesen und jenen Bedingungen zugesichert". Diese Zusicherung stammt hier halt vom Hersteller. Gewähren kann diese Zusicherung z. B. dass der Motor keinen Schaden erleidet, wenn alle 20.000 Km das Wartungsintervall eingehalten wird, jeder. Wenn Dein Motor dann einen Schaden erleidet, muss ich als Garantiegeber für die Kosten aufkommen. Denn ich verpflichte mich Dir gegenüber, im Garantiefall zu leisten.

Zur Einhaltung des Wartungsintervalls

Der BGH differenziert zwischen der unentgeltlichen (Dacia Neuwagengarantie, Lackgarantie und Garantie gegen Korrosion) und der entgeltlichen (Dacia Plus Garantie) Anschlussgarantie. Hat der Garantienehmer für die Garantie bezahlt, so kann der Garantiegeber die Ansprüche des Käufers nur dann ausschließen, wenn die Verletzung der Einhaltung der Wartungsintervalle für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. Im vorliegenden Fall ist das vom Hersteller (Saab) vorgeschriebene Wartungsintervall um 9.580 Km überschritten worden. Da die Verletzung dieser Wartungsobliegenheit nicht ursächlich für den Schaden (Defekt an der Dieseleinspritzpumpe) gewesen ist, musste der Garantiegeber die Reparaturkosten in Höhe von 3.183,23 Euro trotz Überschreitung des Serviceintervalls selbst tragen.

Je nach Erscheinungsbild der Rechnung könnte die Dacia Neuwagengarantie, Lackgarantie und Garantie gegen Korrosion von der Rechtsprechung auch als entgeltlich angesehen werden. Dies wäre zum Beispiel bei folgender Formulierung der Fall: Dacia Modell XYZ inkl. 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie gemäß Bestimmungen der Car-Garantie zum Preis von 10.490 Euro. Der BGH entschied hier, dass der Preis für die Garantie zur Bejahung der Entgeltlichkeit nicht gesondert ausgewiesen werden muss.

Auf meiner Rechnung gibt es überhaupt keinen Hinweis zur Garantie. Insofern würde der BGH in meinem Falle im Hinblick auf die Dacia Neuwagengarantie, Lackgarantie und Garantie gegen Korrosion von einer unentgeltlichen Anschlussgarantie ausgehen.

Rechnung.jpg

Es ergeben sich folgende Fallkonstellationen:

1. Wartungsintervall eingehalten --> Anspruch auf Reparatur im Garantiefall (+).
2. Wartungsintervall nicht eingehalten:
a) Unentgeltliche Garantie (regelmäßig Dacia Neuwagengarantie, Lackgarantie und Garantie gegen Korrossion):
aa) ohne zusätzliche vertragliche Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer --> Anspruch (-).
bb) mit zusätzlicher vertraglicher Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer --> Anspruch (+).
b) Entgeltliche Garantie (Dacia Plus Garantie, im Einzelfall auch Dacia Neuwagengarantie, Lackgarantie und Garantie gegen Korrossion - abhängig vom Erscheinungsbild der Rechnung):
aa) Nichteinhaltung des Wartungsintervalls für den Schaden ursächlich --> Anspruch (-).
bb) Nichteinhaltung des Wartungsintervalls für den Schaden nicht ursächlich --> Anspruch (+).

Im Innenverhältnis besteht ein Vertrag zwischen dem Verkäufer und dem Hersteller. Trifft der Verkäufer im Außenverhältnis vertragliche Vereinbarungen, so sind diese im Verhältnis Käufer/Verkäufer rechtswirksam - die ursprünglichen Garantiebedingungen ändern sich. Einer Zustimmung des Herstellers bedarf es hierzu nicht. Dies könnte allerdings zur Folge haben, dass der Verkäufer die entsprechenden Kosten im Innenverhältnis nicht erstattet bekommt.

Gewährleistung und/oder Garantie?

Bezüglich der Gewährleistung des Gesetzgebers sowie der Garantie zum Beispiel des Verkäufers oder des Herstellers besteht für den Käufer ein Entschließungs- und Auswahlermessen. D. h. der Käufer ist in seiner Entscheidung frei, ob er einen Sachmangel überhaupt beheben lassen möchte und falls ja, wie. In beiden Fällen ist die Gegenseite gebunden: Der Verkäufer gesetzlich (Gewährleistung). Der Garantiegeber (Verkäufer, Hersteller oder Dritter) vertraglich.
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Byebye 45101
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Neu ist: Tritt ein Mangel innerhalb des ersten Jahres nach dem Kauf auf, wird vermutet, dass er schon bei Übergabe vorlag. Die bisherige Frist von sechs Monaten wurde damit verdoppelt. Das ist ein Vorteil für Verbraucher: Der Verkäufer muss im ersten Jahr nach dem Kauf beweisen, dass die Ware bei Übergabe mangelfrei war. Erst nach dieser Zeit muss der Käufer beweisen, dass der Mangel schon bei Übergabe vorlag.
Dieser Beitrag hat zwar inzwischen "ein paar Stündchen" auf dem Buckel, ist aber dennoch für mich als juristisch interessierten Laien sehr lehrreich.
Dafür vielen Dank.
Verständlich für Nicht-Juristen und trotzdem nicht zu primitiv geschrieben.
Wer diesen Text nicht versteht, ist gut beraten, bei solchen Fällen sich beraten zu lassen.
Für Otto normal nichts verständlich. Viel was dem Kunden egal sein kann. Aber Hauptsache es klingt juristisch.
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